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Mémorial de l'abolition de l'esclavage

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In Liverpool gibt es seit 2007 das International Slavery Museum und in Washington gibt es seit 2016 das National Museum of African American History & Culture. Frankreich tut sich schwer mit der eigenen Geschichte, ein vergleichbares Museum dieser Art gibt es bisher nur im karibi­schen Überseedepartment Guadeloupe, das Mémorial ACTe (Centre caribéen d’expressions et de mémoire de la traite et de l‘esclavage), welches ebenfalls 2016 eröffnet wurde. In Frankreich selbst wurde bislang nur 2012 das Mémorial de l’abolition de l’esclavage in Nantes eingeweiht.

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Erst ab den 1980er Jahren beschäftigte man sich in Nantes ausgiebiger mit der kolonialen Vergangenheit der Stadt, angestoßen durch Organisationen, Wissenschaftler sowie durch die Stadtverwaltung. Die vermehrte Beschäftigung mit diesem Thema hat dazu beigetragen, dass das Mémorial de l’abolition de l’esclavage, das Denkmal zur Abschaffung der Sklaverei, entstand. Das im März 2012 eröffnete Mémorial wurde von dem polnischen Künstler Krzysztof Wodiczko und dem aus den USA stammenden Architekten Julian Bonder gestaltet.[1]

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Das Mémorial steht an einem geschichtsträchtigen Ort: Am Quai de la Fosse legten die Sklavenschiffe an, bevor sie nach Afrika aufbrachen. Rund 1800 im Pflaster eingelassene Platten erinnern an die einzelnen Namen der Sklavenschiffe.

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Um das Mémorial zu betreten, steigt man eine Treppe herab und sieht vor sich an einer Wand das Wort „Freiheit“ in 47 Sprachen, die heute in den Ländern gesprochen werden, die vom Sklavenhandel betroffen waren. Das Mémorial selbst ist so gestaltet, dass es das Gefühl vermittelt, sich in dem Bauch eines Schiffes zu befinden. Dies liegt zum einen an der Form, die an das Innere eines Schiffes erinnert und zum anderen daran, dass die zum Fluss gelegene Seite offen ist und man das Wasser sehen und hören kann. Zusätzlich wird dieses Empfinden noch durch eingespielte Geräusche gestärkt. Im Mémorial werden viele mit der Sklaverei in Verbindung stehende Zitate gezeigt (bspw. Toussaint Louverture, Olaudah Euqiano oder Victor Schoelcher). Im letzten Teil des Mémorials werden in chronologischer Reihenfolge die Daten der Abschaffung der Sklaverei in verschiedenen Ländern genannt und in Form von Karten werden Informationen über die verschleppten Sklaven gegeben. Jedoch wird hier weder die Rolle Frankreichs noch die Rolle Nantes tiefgreifender erläutert. Außerdem bekommt der Besucher des Mémorials keine erklärenden Informationen über den Sklavenhandel selbst.

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Durch die chronologische Darstellung der Abolitionsdaten wird das Gefühl geweckt, dass nicht die Sklaven, sondern vielmehr die ehemaligen Kolonisatoren in den Fokus gerückt werden.

Der gleiche Eindruck kann ebenfalls bei der Betrachtung des Namens des Mémorials entstehen: Mémorial der Abschaffung der Sklaverei. So wurde auch bei der Namensgebung der Moment der Abschaffung der Sklaverei in den Vordergrund gerückt und Frankreich wurde gewissermaßen als „der Gute“, als Nation, die die Sklaverei abgeschafft hat, dargestellt, während die vorherigen Ereignisse, die Sklaverei und der Sklavenhandel selbst, in den Hintergrund gerückt wurden.

Das Mémorial erinnert demnach vor allem an die Abschaffung der Sklaverei.

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Ein weiterer Punkt, der kritisch betrachtet werden kann, ist die Unsichtbarkeit des Mémorials. Geht man entlang der Loire spazieren, so könnte man am Mémorial vorbeigehen, ohne es überhaupt zu bemerken. Stellt man sich jedoch ein typisches Denkmal vor, das im Grunde genommen die Funktion hat, an etwas, wie neispielsweise eine Persönlichkeit oder ein Ereignis zu erinnern, so hat man doch eher die Vorstellung von etwas Großem, das sich an einem zentralen oder zumindest sichtbaren Punkt befindet, sodass es nicht übersehen werden kann.

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[1] Vgl. Dinter, Sonja (2018): Die Macht der historischen Handlung. Sklaverei und Emanzipation in der britischen und französischen Erinnerungskultur seit Ende der 1990er Jahre. Bielefeld: transcript, S. 353.

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